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Ein Wassertropfen auf Moos, auf dem schemenhaft die Weltkugel abgebildet wird Klimawandel Adobe Stock
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Planetare Grenzen

Planetare Grenzen (engl. ‚planetary boundaries‘) beschreiben den Zustand der Erdgesundheit anhand verschiedener Kategorien, die das Ökosystem und die Umwelt betreffen. Eine Überschreitung der festgelegten Belastungsgrenzen gefährdet das Ökosystem der Erde sowie die Lebensgrundlage der Menschen.

Das Konzept der planetaren Grenzen geht auf ein Team von rund dreißig internationalen Wissenschaftlern vom Stockholm Resilience Centre um den Resilienzforscher Johan Rockström zurück. In ihrem Fachartikel „A safe operating space for humanity“ von 2009 und einer Weiterentwicklung aus dem Jahre 2015 entwickelten die Wissenschaftler ein detailliertes Modell der planetaren Belastungsgrenzen und ihrer Ausreizung. 

Planetare Grenzen – einfach erklärt

Die planetaren Belastungsgrenzen nach Rockström lassen sich für folgende neun Kategorien definieren:

1. Intaktheit der Biosphäre und Artenvielfalt

Eine intakte Biosphäre mit vielfältigen Lebensräumen und Arten ist für das Erdsystem von großer Bedeutung. So hätte das Aussterben der Bienen beispielsweise auch den Verlust zahlreicher Pflanzen zur Folge. Laut WWF sind derzeit 25 % der Säugetierarten, ein Achtel der Vogelarten, fast ein Drittel der Haie und Rochen sowie 40 % der Amphibien in ihrer Existenz bedroht. Rockström et al. schätzen die Belastungsgrenze der genetischen Vielfalt der Erde daher als überschritten an: Es besteht kein sicherer Handlungsraum mehr und dies könnte schwerwiegende Konsequenzen für das Leben auf diesem Planeten darstellen. Mit Blick auf die funktionale Vielfalt der Biosphäre ist noch nicht ausreichend erforscht, wie es um die Ökosysteme bestellt ist. 

2. Klimawandel

Mit Blick auf den Klimawandel haben wir Menschen den sicheren Handlungsraum ebenfalls bereits verlassen. Es besteht ein großes Risiko, dass die Folgen des Treibhauseffekts sich nicht mehr eindämmen lassen und unsere Lebensgrundlage in Zukunft gefährden. Dennoch sehen die Forscher um Rockström die endgültige Belastungsgrenze noch nicht als überschritten an: Trotz des erhöhten Risikos ist es noch möglich, dem Klimawandel entgegenzuwirken und innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben. Im Rahmen der Dekarbonisierung, des Kohleausstiegs und mit dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, hat die Politik in Deutschland und Europa bereits Maßnahmen ergriffen, die planetare Belastung zu mindern und die absoluten Grenzen nicht zu überschreiten.

3. Landnutzungswandel

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Nutzung von Landflächen durch Menschen drastisch verändert. Im Zuge der industriellen Landwirtschaft und eines erhöhten Bedarfs an Nahrung, Futtermitteln und Fläche fallen viele Landflächen Abholzung, Brandrodung oder Trockenlegung zum Opfer. Zum einen gehen dadurch wertvolle Lebensräume von Tieren verloren, zum anderen dienen Wälder und Moore als natürliche CO2-Speicher. Fallen diese weg, erhöht sich die Konzentration von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre und treibt uns näher an die Belastungsgrenzen des Klimawandels heran. Auch im Bereich der Landnutzung ist daher für das Erdsystem ein erhöhtes Risiko erreicht. 

4. Süßwassernutzung

Die Versorgung mit Wasser ist für Menschen, Tiere und Pflanzen auf der Erde von elementarer Bedeutung. Teilweise bedingt durch den Klimawandel, aber auch durch andere Effekte kommt es vielerorts häufiger zu extremen Dürreperioden. Der zuvor beschriebene Landnutzungswandel trägt zudem dazu bei, dass das vorhandene Süßwasser nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden kann. Düngemittel und Abwässer verunreinigen vielerorts das Grundwasser, Flüsse und Seen. Noch sehen die Forscher aus Stockholm die planetare Belastungsgrenze nicht als überschritten an. Aufgrund der Wechselwirkungen mit anderen Kategorien wie Klimawandel und Landnutzung sollten Politik und Menschen jedoch auch bei der Süßwassernutzung achtsam vorgehen, Probleme frühzeitig erkennen und ihnen entgegenwirken.

5. Biogeochemische Flüsse von Phosphor und Stickstoff

Bei Phosphor und Stickstoff handelt es sich um wichtige Nährstoffe, die für alle Lebewesen auf der Erde unerlässlich sind. Durch die Aktivitäten der Menschen befinden sich mittlerweile jedoch zu viel Stickstoff und Phosphor in der Umwelt. Das liegt unter anderem an großen Mengen Düngemitteln, Industrieprozessen und Verbrennungsmotoren. Gelangt Stickstoff beispielsweise ins Grundwasser und die Meere, entsteht dort Sauerstoffarmut, die Fischen und anderen Meerestieren die Lebensgrundlage nimmt. Stickstoff kommt in der Landwirtschaft zudem als Treibhausgas Lachgas vor, das den Klimawandel vorantreibt. Im Hinblick auf biogeochemische Flüsse ist somit ebenfalls bereits die planetare Belastungsgrenze überschritten. Ziel sollte sein, die Menge an Phosphor und Stickstoff in der Umwelt zu verringern und die Grenze wieder zu unterschreiten.

6. Versauerung der Meere 

Was die Versauerung der Meere anbelangt, ist die planetare Belastungsgrenze derzeit noch nicht gefährdet. Eine aufgrund des Klimawandels und begünstigender Entwicklungen steigende Konzentration von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre lässt hier allerdings einen negativen Trend erkennen. Denn die Ozeane nehmen CO2 aus der Atmosphäre auf und speichern es. In der Folge bildet sich im Wasser Kohlensäure, wodurch der pH-Wert der Meere sinkt – sie werden saurer. Im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung ist das Oberflächenwasser der Ozeane derzeit bereits um fast 30 % saurer. Diese Ozeanversauerung könnte zukünftig insbesondere für kalkbildende Lebewesen wie Muscheln, Schnecken oder Plankton zum Problem werden, da sich die Grundlage für die Ausbildung ihrer Knochen und Schalen in saurem Wasser verringert. Auch die Zahl der Korallenarten verringert sich aufgrund der Ozeanversauerung.

7. Aerosolgehalt der Atmosphäre

Aerosole bezeichnen kleinste Partikel, die unter anderem in unserer Atmosphäre auftauchen. Dazu zählen zum Beispiel Staub, Ruß oder stickstoff- und schwefelhaltige Aerosole. Neben natürlich vorkommenden Aerosolen stammt eine steigende Zahl auch aus menschlichen Aktivitäten in Industrie, Verkehr, beim Heizen und in der Landwirtschaft. Ihre Auswirkungen auf das Erdsystem und unsere Lebensgrundlage sind noch zu wenig erforscht, um zu wissen, inwieweit sie sich einer planetaren Grenze nähern. Bestimmte Aerosole wirken sich jedoch erwiesenermaßen negativ auf die Gesundheit von uns Menschen aus, da sie Atemwegserkrankungen fördern.

Darüber hinaus tragen Aerosole zur Luftverschmutzung bei und können das Klima beeinflussen. Je nach Größe und Zusammensetzung können die Aerosole auf die Wasserlöslichkeit in Wolken einwirken. Ein hoher Aerosolgehalt kann somit unter anderem dafür sorgen, dass es mancherorts häufiger oder weniger oft regnet. In der Atmosphäre streuen manche Aerosole Sonnenstrahlung zurück ins All, andere absorbieren die Strahlung jedoch auch und tragen so zur Erderwärmung bei. Inwiefern die Konzentration an Aerosolen eine planetare Belastungsgrenze übersteigt, sollte daher dringend erforscht werden.

8. Ozonverlust in der Stratosphäre

In der Stratosphäre 20 bis 30 Kilometer über der Erde bilden gespaltene Sauerstoffatome Ozon (O3). So entsteht rund um die Erde eine Ozonschicht, die eine wichtige Rolle erfüllt: Sie absorbiert einen Teil der Sonnenstrahlung und reguliert dadurch zum einen die Temperatur auf der Erde und schützt uns Menschen zum anderen vor der gefährlichen UV-Strahlung der Sonne. In den 1980er-Jahren entdeckten Forscher, dass sich die Ozonschicht über dem Südpol ausgedünnt und ein Ozonloch gebildet hatte.

Für die Zerstörung der Ozonschicht sind sogenannte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) verantwortlich, die unter anderem in Kühlschränken, als Lösemittel und in Haarsprays verwendet wurden. Viele Staaten beschlossen daraufhin den Ausstieg aus den FCKW, weshalb sie heute kaum noch verwendet werden. In der Atmosphäre nimmt ihre Konzentration jedoch nur langsam ab. Erst seit den 2000er-Jahren erholt sich die Ozonschicht allmählich wieder. Aus diesem Grund stufen die Wissenschaftler um Rockström die planetare Belastungsgrenze des Ozonverlustes derzeit nicht als gefährdet ein. Das Gegenwirken von Politik und Staaten hat somit in diesem Fall funktioniert.

9. Neue Substanzen und modifizierte Lebensformen

Die Kategorie der neuen Substanzen und modifizierten Lebensformen beschäftigt sich mit Stoffen, die durch die Menschen neu in die Umwelt gebracht werden. Dazu zählen beispielsweise zahlreiche Chemikalien und Plastik, aber auch seltene Erden, Schwermetalle und radioaktive Abfälle. Für die Natur und alle Lebewesen stellen diese neuartigen Substanzen ein hohes Risiko dar, da sie unter anderem giftig und krebserregend wirken können. Im originalen Konzept der planetaren Belastungsgrenzen schätzten die Wissenschaftler aus Stockholm die Situation als unberechenbar ein, da der Einfluss der Substanzen und Chemikalien zu wenig erforscht war. In einer neuen Veröffentlichung stellten Forscher 2022 jedoch fest, dass auch in dieser Kategorie die planetaren Grenzen überschritten sind.

Um hier wieder in einen sicheren Rahmen zu kommen, sollten besonders problematische Stoffe bestenfalls ersetzt und vollständig aus der Umwelt entfernt werden. Andere Substanzen sollten nach Möglichkeit in eine Kreislaufwirtschaft überführt werden. Anstatt die Stoffe in die Umwelt zu leiten, ist eine effiziente Nutzung und Wiederverwendung in diesem Zusammenhang sehr wichtig.

Sind die planetaren Grenzen überschritten?

Das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen zeigt auf, dass die Gesundheit der Erde und all ihrer Bewohner in vielen Bereichen stark gefährdet ist. Zahlreiche der planetaren Grenzen sind überschritten und die Auswirkungen nicht überall bereits absehbar. Dennoch gibt es noch einige Kategorien, in denen die Menschheit im sicheren Handlungsraum agiert beziehungsweise die letzte Grenze noch nicht überschritten hat. Das Beispiel des Ozonlochs zeigt, dass es möglich ist, negative Entwicklungen zu durchbrechen und für eine Erholung zu sorgen. Durch koordinierte Handlungen von Politik, der Staatengemeinschaft und jedem einzelnen Menschen besteht somit die Möglichkeit, die Ökosysteme der Erde zu entlasten und die Lebensgrundlage von Menschen und Tieren auch in Zukunft sicherzustellen. 

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