Oldenburg, 27. April 2023. Der EWE-Konzern hat das durch die Energiekrise gekennzeichnete Geschäftsjahr 2022 mit einem guten Ergebnis abschließen können. Vor allem die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verursachten Turbulenzen am Energiemarkt zeigten deutliche Auswirkungen. Mit einer Kombination verschiedener Maßnahmen ist es EWE gelungen, sowohl die Versorgungssicherheit für alle Kundinnen und Kunden als auch die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens konsequent zu gewährleisten.
„In einem durch den Ukraine-Krieg bestimmten Geschäftsjahr konnten wir ein gutes Ergebnis erzielen, das wir auch benötigen, um den weiteren Umbau zu einer möglichst autarken und nachhaltigen Energieversorgung weiterhin aktiv voranzutreiben“, berichtet Stefan Dohler, Vorstandsvorsitzender der EWE AG.
Anstieg bei Umsatz und Kosten
Der Umsatz stieg vor allem aufgrund der erstmalig ganzjährigen Berücksichtigung des Gemeinschaftsunternehmens ALTERRIC und der enormen Preisentwicklungen auf dem Energiemarkt auf 8.605,1 Millionen Euro (Vorjahr: 6.119,8 Millionen Euro). Auch die Materialaufwendungen stiegen wegen der Preisentwicklung auf 5.999,6 Millionen Euro (Vorjahr: 3.613,7 Millionen Euro).
Schnellere Energiewende finanzieren
EWE-Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler: „Wir haben uns im letzten Jahr schnell auf den sehr dynamischen Energiemarkt eingestellt. Durch umsichtiges und frühes Handeln haben wir die Gasmangellage bis zu diesem Zeitpunkt gut durchgestanden. Unsere Gasspeicher waren zum Winterbeginn komplett gefüllt und auch jetzt im Frühjahr haben wir noch hohe Gasreserven. Wir bauen mit Hochdruck an unserer Zukunftsleitung, um in Wilhelmshaven angelandetes Flüssiggas im kommenden Winter in unsere Speicher zu füllen. Dennoch dürfen wir in den Einsparbemühungen nicht nachlassen. Weiterhin gilt, soweit möglich Gas einzusparen und nicht zu verbrauchen. Wir rechnen auch in diesem Jahr mit starken Bewegungen im Energiemarkt aufgrund der Gasversorgungssituation. Eine nachhaltige Entspannung wird es erst geben, wenn es uns gelungen ist, unser Energiesystem größtenteils auf eigene erneuerbare Energien umzustellen. Daran arbeitet auch EWE mit Hochdruck.“
Weiter führt er aus: „Mit ALTERRIC haben wir ein führendes Unternehmen in Europa für Grünstromerzeugung im Bereich Wind-Onshore. Wir investieren weiter in die Wasserstofftechnologie und den Ausbau der Stromnetze. Wir verspüren hier aber auch einen stark zunehmenden Kostendruck. Allein in einem Jahr sind die Kosten für die Errichtung eines Windrads um mehr als 20 Prozent angestiegen. Dies ist eine hohe Belastung. Auch im Bereich Wasserstoff und Speichertechnologien verzeichnen wir hohe Kostensprünge. Um die dezentrale und nachhaltige Energieversorgung weiter auszubauen, sind daher zunehmend höhere Investitionsmittel notwendig. Daher nutzen wir die Einnahmen in dieser Zeit, um den dringend notwendigen Umbau der Energiesysteme so schnell wie möglich umzusetzen.“
Staatliche Entlastungsmaßnahmen umgesetzt
Die Energiekrise beherrschte das gesamte Geschäftsjahr 2022. Neben den Herausforderungen, die Gasspeicher für den Winter zu füllen und die notwendigen Energiemengen auch ohne Lieferungen aus Russland zur Verfügung zu stellen, bestimmten staatliche Entlastungsmaßnahmen das Energiegeschäft des EWE-Konzerns. Als Grundversorger in großen Teilen Nordwestdeutschlands hat EWE sehr viele Kundinnen und Kunden zusätzlich aufgenommen, da viele Energieanbieter nicht bereit waren, weitere Vertragsangebote zu unterbreiten oder deren Preisangebote deutlich über den EWE-Grundversorgungstarifen lagen. EWE musste daher im letzten Geschäftsjahr für die im Vorfeld nicht zu erwartenden zusätzlichen Kundenmengen nachträglich Energie zu sehr hohen Preisen an den Energiebörsen einkaufen. Die im Herbst beschlossenen staatlichen Entlastungsmaßnahmen für Energiekunden, wie die Mehrwertsteuersenkung für Gas und die Strom- und Gaspreisbremsen, hat EWE in kurzer Zeit für die Kundinnen und Kunden in den Abrechnungssystemen umgesetzt.
„Im vergangenen Jahr haben wir viele neue Kundinnen und Kunden mit Energie versorgt und für alle die staatlichen Entlastungsmaßnahmen umgesetzt. Dahinter steckt ein enormer finanzieller und logistischer Aufwand. Dieses spürten leider auch unsere Kundinnen und Kunden, die teilweise länger auf ihre Abrechnungen warten müssen“, berichtet Stefan Dohler, „wir arbeiten aber – wie in den vergangenen Monaten auch – weiter mit Hochdruck daran, alle Kundenanliegen schnellst- und vor allem bestmöglich zu bearbeiten.“
Milliarden-Investitionspotential in unabhängige und nachhaltige Energielandschaft
Der EWE-Konzern sieht in den kommenden zehn Jahren ein Investitionspotential in Höhe von bis zu 14 Milliarden Euro für den weiteren Ausbau der Energiewende. Die Wachstumsfelder bestehen aus den Bereichen Erneuerbare Energien, Energiedienstleistungen, Energienetze, Telekommunikation, Großspeicher/Wasserstoff und Elektromobilität. Stefan Dohler erläutert: „Wir werden die Energiewende weiterhin aktiv gestalten. Dazu gehört der Ausbau erneuerbarer Energien mit Windanlagen an Land und Photovoltaik mit unserem Gemeinschaftsunternehmen ALTERRIC. Zusätzlich investieren wir in intelligente Stromnetze, um zukünftig das sehr hohe Angebot und die ebenso hohe Nachfrage an grünem Strom auch bestmöglich verteilen und bedienen zu können. Wasserstoff werden wir primär in industriellen Bereichen und dem Schwerlastverkehr einsetzen. Aber auch als Speichermedium nutzen wir zukünftig in unseren Kavernen Wasserstoff, um bei wenig Sonne und Wind immer genug grüne Energie zur Verfügung zu haben. Die Infrastrukturen für die Digitalisierung unserer Region und den Ausbau der Elektromobilität werden wir ebenso stark erweitern. Im Nordwesten haben wir beste Voraussetzungen für die Energiewelt von morgen. Hier gibt es Häfen für den zukünftigen Import von grünem Wasserstoff, den Wind, um erneuerbaren Strom und grünen Wasserstoff zu produzieren und die passende geologische Situation mit Salzstöcken, um diesen Wasserstoff zu speichern.“
Entwicklung wesentlicher Kennzahlen im Geschäftsjahr 2022
Wolfgang Mücher, Finanzvorstand der EWE AG, erläutert zur Entwicklung des OEBIT: „Die positive Entwicklung des operativen EBIT ist vor allem auf das Handelsgeschäft, die Gasspeicher und Windenergie zurückzuführen. Die Energiepreisentwicklung wirkte sich im Bereich Privat- und Geschäftskunden eher belastend auf das Ergebnis aus. Bei den Gasspeichern führte eine Ergebnisverschiebung von 2021 zugunsten des Geschäftsjahres 2022 zu positiven Effekten im vergangenen Geschäftsjahr. Gasmengen, deren Ausspeicherung im Jahr 2021 vorgesehen waren, wurden aus Gründen der Versorgungssicherheit in den Speichern belassen und erst im Jahr 2022 ausgespeichert.“
Das Konzernperiodenergebnis, das neben dem operativen Geschäft auch nicht-operative Effekte sowie das Zinsergebnis und Steuern abbildet, liegt mit einer Höhe von 463,5 Millionen Euro um 134,0 Millionen Euro unter dem Vorjahr. „Im vergangenen Jahr wirkten steigende Zinsen auf das Konzernperiodenergebnis zusätzlich zu den niedrigeren Stichtagsbewertungen der Derivate im Vorjahresvergleich“, so Wolfgang Mücher.
Zur Umsatzentwicklung erklärt Mücher: „Der Konzernumsatz im Jahr 2022 stieg aufgrund der erstmals ganzjährigen Berücksichtigung des Gemeinschaftsunternehmens ALTERRIC und der Energiepreisentwicklungen.“
Der EWE-Konzern ist weiterhin mit seinen Tochtergesellschaften und Wachstumsfeldern ein wichtiger Arbeitgeber in der Region: Im Durchschnitt waren im Geschäftsjahr 2022 10.185 Mitarbeitende (2021: 9.575 Mitarbeitende) im Konzern beschäftigt.
Der Einzelabschluss der EWE AG nach HGB beträgt für das Geschäftsjahr 2022 35,5 Millionen Euro (2021: 185,4 Millionen Euro). Daher sprechen Vorstand und Aufsichtsrat einen Dividendenvorschlag in Höhe von 35,5 Millionen Euro (Vorjahr 168,7 Millionen Euro) aus.
„Der Konzernabschluss nach HGB ist maßgeblich für die Höhe des Dividendenvorschlags an die Anteilseigner. Daher schlägt der Vorstand zunächst eine Dividende in Höhe des HGB-Ergebnisses vor. Das HGB-Ergebnis liegt deutlich unter unseren Erwartungen und ist sehr durch den Ukraine-Krieg und die Energiekrise gekennzeichnet. Die Energiemengen, die wir im Jahr 2022 zusätzlich und kurzfristig beschaffen mussten, führen aufgrund der hohen Einkaufspreise und der anschließenden Preisentwicklung zu einem niedrigen HGB-Abschluss“, so Wolfgang Mücher.
Gesicherte Unternehmensfinanzierung
EWE hat in der Energiekrise kurzfristig reagiert und die finanzielle Flexibilität des Konzerns durch verschiedene Instrumente abgesichert. Als Liquiditätsreserve stehen syndizierte, revolvierende Kreditfazilitäten in Höhe von über 2.850,0 Millionen Euro (Vorjahr: 950,0 Millionen Euro) zur Verfügung. Eine bestehende Kreditoption in Höhe von 750 Millionen Euro, die ursprünglich bis November 2023 befristet war, wurde im ersten Halbjahr 2022 durch einen Neuabschluss abgelöst. Zusätzlich hat der EWE-Konzern im Februar 2022 eine Kreditoption abgeschlossen, die mittlerweile 1.900 Millionen Euro umfasst.
„Den sehr hohen Liquiditätsbedarf für einen Handel an den Energiebörsen konnten und können wir mit unseren langjährigen Finanzpartnern abdecken. Während einige Energieunternehmen und Stadtwerke im vergangenen Jahr auf staatliche Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau angewiesen waren, kann EWE die notwendige Liquidität auf Basis der eigenen Bonität bereitstellen“, berichtet Wolfang Mücher.
Ausblick und Investitionen 2023
Die Versorgungssicherheit und die beschleunigte Energiewende stehen in diesem Jahr im Fokus der EWE-Aktivitäten. Im Segment Erneuerbare Energien erwartet EWE einen Rückgang des OEBIT und im Markt-Segment einen Anstieg. Die auch in diesem Jahr zunehmenden Autarkiebestrebungen im Energiesektor wird EWE bei den Investitionen weiter berücksichtigen und erneuerbare Energien, strombasierte Wärmelösungen und die LNG-Infrastruktur weiter ausbauen.
„Wir investieren auch in diesem Jahr gezielt in die zukünftige Versorgungssicherheit. Insgesamt erwarten wir für das derzeitige Geschäftsjahr ein OEBIT, das bei einer eher zurückhaltenden Vorausschau zwischen fünf und zehn Prozent über dem des Jahres 2022 liegen wird. Darüber hinaus sind auch weitere positiv wirkende Effekte möglich“, prognostiziert Wolfgang Mücher. Im Segment Erneuerbare Energien plant der Konzern für 2023 Investitionen für eigenentwickelte Windparkprojekte und Akquisen in Höhe von insgesamt 333 Millionen Euro. Dies ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Durch das in diesem Jahr in Kraft getretene Wind-an-Land-Gesetz verspricht sich der Konzern erleichterte Genehmigungsverfahren und schnellere Wachstumsmöglichkeiten. Im Segment Infrastruktur sind für 2023 Investitionen von rund 735 Millionen Euro geplant, davon entfallen rund 419 Millionen Euro auf den Bereich der Energienetze. Investitionen in Höhe von etwa 163 Millionen Euro sind für 2023 im Markt-Segment geplant. Diese verteilen sich auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität, technische Erweiterungen der Telekommunikationsanlagen und den Ausbau der Wärmepumpenaktivitäten im Energievertrieb.